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eine Burg erbauten und sie zu Ehren der Heiligen Jungfrau, ihrer
Schutzherrin, die Marienburg nannten, mochte es kaum von vorn-
herein beabsichtigt gewesen sein, sie als den Mittelpunkt der da-
mals bereits gesicherten Herrschaft über das Bernsteinland zu er-
richten; aber die Vorzüge der bewundernswerten Lage mussten
bald ins Auge fallen. Während Danzig der Nähe des Meeres, der
Ader eines gewaltigen Stroms, dem Zusammentreffen von Höhe
und Niederung seine bedeutende handelswichtige Lage verdankt,
musste bei der Marienburg der Gesichtspunkt für den Handel Ver-
Marienburg.
waltungs- und militärischen Zwecken untergeordnet bleiben. Dieser
Sitz der Ordensherrschaft war von Thorn und Königsberg etwa
gleich weit entfernt, stand mit beiden durch das Haff, die Nogat
und die Weichsel in Verbindung, gestattete über Elbing und
Marienwerder einen leichten und ungestörten Verkehr mit den inneren
Landschaften und den daselbst angelegten Burgen, denen rasch
Truppen zugeführt werden konnten, eröffnete aber zugleich west-
wärts eine grossartige Aussicht von künftigen Erwerbungen und
Erweiterungen; Danzig mit seiner Weltstellung dämmerte am
fernen Gesichtskreise, und das Meer mit seiner Unendlichkeit stand
wenigstens vor dem geistigen Auge da. Überhaupt hat es von
jeher in der Staatskunst einer erobernden Macht gelegen, den Sitz
ihrer Herrschaft nicht in den Mittelpunkt des bereits bezwungenen
Landes (dieser wäre hier etwa Elbing gewesen), sondern da anzu-
legen, wo der Blick auf die noch zu überwältigenden Landschaften
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
129
über die Rechte an einem eingetragenen Gebrauchsmuster. Auch die
Strafbestimmungen wegen unbefugter Benutzung e>ner patentierten Er-
findung entsprechen denen, die beim Gebrauchsmuster bereits angeführt
wurden.
Im Patentamte wird, wie für Gebrauchsmuster, so auch für Me
Patente eine für jedermann zur Einsicht zugängliche Rolle geführt, in der
alles Wesentliche, die Patente betreffende, sowie der Warne und Wohnort
ihrer jeweiligen Besitzer und ihrer etwa bestellten Vertreter eingetragen steht.
Das Patentamt veröffentlicht ferner durch ein amtliches Blatt den wesent-
lichen Teil der Beschreibungen und Zeichnungen aller Patente, soweit
man sie nicht im Jntereffe des Reichs für die Zwecke des Heeres oder
der Flotte geheim hält. Außerdem werden von ihm noch Patent-
schriften herausgegeben, die eine genaue Wiedergabe der Beschreibungen
und Zeichnungen jedes einzelnen Patents bieten. Sie sind vom
Patentamte zu beziehen und kosten einzeln 1 Ji und beim Bezüge
von zwanzig und mehr Stück 0 50 Jt. Sowohl im Patentamt in
Berlin, als auch in vielen anderen Städten in Deutschland kann inan
Einsicht in die Patentschriften nehmen und, da alle Elfindungen in
Fach-Klassen eingeteilt sind, sich unickwer über die in einem bestimmten
Fache in Deutschland bereits patentierten Erfindungen Auskunft ver-
schaffen. Das einfachste und verhältnismätzig sicherste, wobl auch
billigste Mittel, um sich zu vergewissern, ob eine gemachte vermeintliche
Erfindung im Sinne des Gesetzes auch tatsächlich neu ist, bleibt immer
ihre Anmeldung beim Patentamte. Handelt es sich dabei um Dinge,
die wohl auch unter den Gebrauchsmusterschutz gebracht werden könnten,
und will man sich, der geringeren Kosten oder anderer Gründe wegen,
mit einer Schutzdauer von nur 6 Jahren begnügen, dann kann man
eine zunächst zum Patent angemeldete Erfindung nach der Vorprüfung
immer noch zum Gebrauchsmustertchutz anmelden. Atari hat in dein
Falle nur nötig, die Bekanntmachung der Anmeldung einige Zeit aus-
setzen zu lassen, meldet inzwischen den Gegenstand als Gebrauchsmuster
an und zieht, nachdem seine Eintragung in die Rolle für Gebrauchs-
muster erfolgt ist, die Patentanmeldung zurück.
Rur eine verhältnismäßig geringe Anzahl der alljährlich
genommenen Patente erreicht durch Ablauf ein natürliches Ende. Dre
große Mehrzahl verfällt vorher wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren.
Hieraus folgt, daß Patente den Erwartungen, die die Erfinder
daran knüpfen, nur selten zu entsprechen pflegen. Sie tollten aus
dieser unwiderleglichen Tatsache eine Lehre ziehen und ihre Erfindungen
sorgfältiger — auch nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit hin —
prüfen, bevor sie ein Patent, zumal im Auslande, darauf nachsuchen.
Nur wenige wissen, wie schwierig und zeitraubend, oft auch kosttpieliq
es ist, Patente, selbst aus gute Erfindungen, die nicht für den eigenen Be-
trieb nutzbar gemacht werden können, in absehbarer Zeit anderweitig
so zur Geltung zu bringen, daß sie ihrem Eigentümer angemessene Er-
trägnisse liefern. Das schließt natürlich nicht aus, daß es auch sehr
gewinnbringende Patente gegeben hat und stets geben wird, sowie daß
das deutsche Patentgesetz auf die Entwicklung der deutschen Industrie
Scharf, Lesebuch. g
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig]]
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Deutschland Deutschland
81
Von den wasserwärts ausgegangenen Gütern sind zu nennen: Getreide,
Kartoffeln, Kartoffelmehl, Sirup, Spiritus, Zucker, Zink, Maschinen;
für Zement ist Stettin der Hauptausfuhrhafen Deutschlands.
In der Stettiner Industrie, wie auch unter allen deutschen Schiffs-
werften nimmt die Maschinenbau-Aktiengesellschaft „Vulkan" die erste
Stelle ein. Die Einrichtungen und Leistungen der Werft können den
bedeutendsten Werften der Welt an die Seite gestellt werden. Von
den Herren Früchtenicht und Brock wurde 1651 in dem damals kleinen
Dorfe Bredow die Einrichtung einer Werft für den Bau eiserner
Schiffe in Angriff genommen. Im Jahre 1857 wurde die Werft in
eine Aktiengesellschaft umgewandelt, damit die Mittel zu ihrer bedeutenden
Erweiterung beschafft werden konnten. Von kleinen Anfängen ist die
Fabrik durch die Tüchtigkeit und den Wagemut der zur Leitung des
Unternehmens berufenen Vorstände zu einer Weltanstalt erhoben
worden, deren Erzeugnisse unter den ersten genannt werden, die die
deutsche Industrie nach allen Ländern hinsendet.
Neben dem Schiffsbau wurde auch der Bau von Lokomotiven auf-
genommen, und mehr als 2000 solcher Maschinen sind bis jetzt für die
Eisenbahnen des In- und Auslandes aus dem „Vulkan" hervorgegangen.
Das ursprüngliche Aktienkapital von 3 Millionen Mark ist bis
aus 10 Millionen gestiegen. Während die Anlagen 1857 einen Wert
von nicht ganz 2 Millionen Mark hatten, bezifferte sich der Gesamt-
anlagewert 1902 auf 30 Millionen Mark, so daß also eine fünfzehn-
fache Vergrößerung eingetreten war. Die Grundfläche der ganzen Fabrik
betrug 1870 8 da, gegenwärtig umfaßt sie über 30 ha. Die Zahl
der beschäftigten Arbeiter betrug damals 1800, 1902 waren 7500
Arbeiter in der Fabrik tätig.
Das erste Schiff, das gebaut wurde, war der Raddampfer
„Dievenow", der 45 Jahre in Fahrt gewesen ist. Die ersten kleineren
Kriegsschiffe wurden 1866 für die norddeutsche Marine in Bau ge-
nommen, im Jahre 1869 die größere Schiffsmaschine für die Panzer-
fregatte „Hansa". Ein größeres Panzerschiff wurde 1870 gebaut.
Einschließlich der in Bau befindlichen Schiffe waren 1902 ins-
gesamt 254 Schiffe auf den Hellingen des „Vulkan" erbaut worden,
und zwar 62 größere und kleinere Kriegsschiffe, 143 größere und
kleinere Schraubendampfer für die Handelsmarine, 49 verschiedene
Raddampfer. Für die deutsche Kriegsmarine sind 18, für die russische
Kriegsmarine mehrere Torpedoboote und ein geschützter Kreuzer, für
die chinesische 24 Kriegsschiffe, für den Norddeutschen Lloyd 12 große
Dampfer und für die Hamburg-Amerikalinie 8 solcher Dampfer gebaut
worden. Die Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm der Große", „Kron-
prinz Wilhelm" und „Deutschland" sind gegenwärtig die schnellsten
Ozeandampfer der Welt, mit Maschinen ausgerüstet von 30 000 bezw.
33 000 und 36 000 Pferdekraft. Ein weiterer großer Schnelldampfer des
Norddeutschen Llyod, „Wilhelm Ii.", ist im Sommer 1902 vom Stapel
gelaufen und hat seine ersten Fahrten im Frühjahr 1903 begonnen. Der
Raumgehalt dieses Schiffes beträgt ungefähr 20000 Tonnen und seine
Länge ¿16,50 m.
Scharf, Lesebuch.
6
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art]]
131
teuer zu stehen kommen, da die Gerichtsgebühren nicht niedrig sind
und ein Rechtsanwalt eine Prozeßführung nicht umsonst übernehmen
kann. Zudem läßt sich der Ausgang eines Rechtsstreites, selbst wenn
die Verhältnisie sonnenklar zu liegen scheinen, nicht imnier voraussehen,
und in dem Falle Iv lagen zu einem gerichtlichen Prozesse nicht ein-
mal genügende Anhaltspunkte vor. Welcher Weg war also einzuschlagen?
Nun, die in den Fallen I—iii benachteiligten Personen, bezw. ihre
gesetzlichen Vertreter (Vater oder Vormund bei Minderjährigen) gingen
nach der Gerichisschreiberei des aus Grund des Gesetzes vom 20. Zuli
1890 am Orte eingerichteten Gewerbegerichtes und trugen dort ihre
Sache dem Gerichtsschreiber vor. Dieser nahm, nachdem er sich über-
zeugt hatte, daß sein Gericht in der Sache zuständig war (§ 4 des
Gesetzes), den Tatbestand protokollarisch auf, wie auch genau die
Forderung der Kläger. Letztere beantragten natürlich die kostenpflichtige
Verurteilung der Beklagten.
Darauf trug der Gerichtsschreiber dem Vorsitzenden des Gerichts,
einem auf ein Jahr erwählten Magistratsvertreler, die Sache vor, und
dieser bestimmte einen möglichst nahen Termin zur Austragung des
Rechtsstreites. Der Gerichtsschreiber verständigte darüber sofort die
Kläger und ersuchte sie, in dem Verhandlungstermin pünktlich zu er-
scheinen, widrigenfalls ihre Klage abgewiesen weiden würde. Sodann
fertigte er die Klagezustellung an die Beklagten aus und ließ sie ihnen
durch einen Magistratsbolen einhändigen.
Ungefähr acht Tage danach fand im Rathause, Zimmer Nr. 7,
eine öffentliche Gewerbegerichtsverhandlung statt. Vorsitzender war Stadt-
rat Dr. Helling, Beisitzer waren a) als Arbeitgeber: Fabrikbesitzer Paul
Adam und Tischlermeister Otto Haupt, b) als Arbeitnehmer: Schlosser
Heinrich Kuntze und Hafenarbeiter Emil Frommann, Gerichtsschreiber:
Magistrats-Sekretär Wilbrandt.
Bei Fall 1 wurde rn der mündlichen Verhandlung festgestellt, daß
die Parteien einen Vergleich schlossen dahingehend, der Kläger ermäßigt
seine Forderung von 1,50 auf 1 Jt und der Beklagte erkennt sie in
dieser Höhe an, bezahlt sie auch sofort an Gerichtsstelle. Kosten ent-
standen nicht, da bei einem Vergleiche solche nicht zulässig sind (§ 58
d. Ges.).
Im Falle Ii hingegen mußte das Gericht ein Urteil fällen. Es
entschied, daß der Beklagte Febx, da er den eingeklagten Anspruch des
Klägers auf Zahlung einer Lohnforderung in Höhe von 4 Jt aus
dem Beschästigungsver hältnis der Tochter des Klägers bei ihm an-
erkannte, dem Anerkenntnisse gemäß §§ 307, 91 und 92 der Zivil-
prozeßordnung zu verurteilen sei und eifannte daher zu Recht: der
Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vier Mark zu zahlen und die
Kosten des Verfahrens zu tragen. Die letztern beliefen sich, da der
Gegenstand des Streitobjektes 20 Jt nicht überstieg, auf 1 Jt (durch
ortsstatutarische Bestimmung kann auch ein niedrigerer Satz eingeführt
werden). Und damit war der Streitfall endgültig ausgetragen; denn
nach § 55 des Ges. ist eine Berufung nur dann zulässig, wenn der
Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 100 Jt übersteigt.
9*
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt]]
Extrahierte Personennamen: Helling Paul
Adam Otto Otto Heinrich_Kuntze Heinrich Emil_Frommann Wilbrandt
83
Rückhalt in ein Land zu gehen, dessen Sprache man nicht versteht,
und ein junger Mann hat auch nicht die genügende Charakterfestigkeit,
um den sittlichen Gefahren mancherlei Art standzuhalten. Schon
aus diesem Grunde ist London vor Paris für den ersten Versuch zu
empfehlen. Hier sind die Kellnervereine in einer Weise entwickelt und
eingerichtet, daß sie gewissermaßen Elternstelle an den jungen Leuten
versehen. Der „Verein der Hotelangestellten Gens" hat sein Besitztum
Charlotte-Street 107, der „Deutsche Kellnerverein Berlin" in Clip-
stone-Street 36 und der „Deutsche Kellnerbund Leipzig" Charlotte-
Street 84, Fitzroy-Square W. Diese Vereine sind Schutz und Stütze
für ihre Mitglieder. In London ist der Jüngling außerdem nicht so
sehr sittlichen Gefahren ausgesetzt als in dem leichtlebigen Paris.
Getrosten Mutes, voll schöner Hoffnungen und guter Vorsätze
trat ich meine Reise an. Der Seefahrt verdanke ich reiche Genüsse.
Die Ankunft in London erfolgte auf Victoria-Station. Mein Gepäck
behielt ich scharf im Auge, damit mich fremde Liebhaber nicht etwa
erleichterten. Nachdem ich einem Kutscher das Klubhaus des Deutschen
Kellnerbundes als Ziel genannt hatte, langte ich nach schneller Fahrt
dort an. Der Geschäftsführer nahm mich freundlich auf und sorgte
für meine Unterkunft. Mit mehreren anwesenden Kollegen konnte ich
freundschaftlich verkehren und über die Verhältnisse der Riesenstadt
eingehend sprechen. Der Aufenthalt im Vereinshause war eine große
Wohltat für mich; in jeder Hinsicht war ich aufs beste versorgt und
beraten, und ich fühlte mich so wohlgeborgen wie im Vaterhause. Die
Stellenvermittlung wird im Hause besorgt. Es geht dabei redlich zu, und
man zahlt eine billige Vergütung, während man in den Vermittlungs-
geschäften der Großstadt oft stark geplündert und ausgesogen wird.
Zum Glück brauchte ich nicht, wie viele andere, wochenlang auf
eine Stellung zu warten, sondern fand schon nach wenigen Tagen in
einem feineren Privathause als „Inäoor servant" einen Platz. Man
zieht eine solche Stelle der Beschäftigung in einem Hotel mit mehreren
deutschen Kellnern vor, da man in den Familien nur englisch sprechen
hört und darum beffere Gelegenheit zur Erlernung des Englischen hat.
Das ist für den Kellner die Hauptsache. Ein Ruheposten oder eine
angenehme Stellung ist ein solcher Platz freilich nicht. Man ist sehr
beschäftigt und muß Arbeiten verrichten, die man als Lehrling nicht
getan hat. Aber das schadet nichts. Wer Rosen pflücken will, macht
auch mit den Dornen Bekanntschaft. Nur der wird sich des Erfolges
freuen, der bei jeder Arbeit mutig und kräftig zugreift und sie in
zäher Ausdauer beendet. Neben freier Wäsche und Kleidung erhielt
ich monatlich 30 Schilling. Obschon man in dienender Stellung eine
hervorragende Rücksichtnahme nicht erwarten kann, war doch meine
Behandlung im allgemeinen durchaus befriedigend. Die freien
Stunden benutzte ich zum fleißigen Lernen der englischen Grammatik
und zu Übungen in der schriftlichen Darstellung; denn ich wollte die
englische Sprache möglichst gründlich erlernen. Als ich den ganzen
Betrieb des Hauses genügend kennen gelernt hatte, arbeitete ich einige
Zeit in einem „Boardinghaus", in dem ich mich recht gut stand. Jetzt
6*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
Extrahierte Ortsnamen: London Paris Clip- London Paris London
laberten Zeugen. Nachdem die Zeugen auf die Bedeutung des Eides'
hingewiesen waren, wurden sie einzeln und in Abwesenheit der später
abzuhörenden Zeugen zur Sache vernommen. Die Anwälte verlasen
die aus dem Protokoll über die letzte Verhandlung ersichtlichen Anträge
und verhandelten sodann zur Sache. Erkannt und verkündigt wurde
dann vom Gerichtshöfe: „Die Berufung des Beklagten aegen das am
... verkündete Urteil des Gewerbegerichts zu ... wird zurückgewiesen und
der Beklagte verurteilt, die Kosten der Berufuna zu tragen." Die Gründe
für dieses Urteil wurden vom Vorsitzenden in eingehender Weise klargestellt.
Hiermit war der Streit endgültig ausgetragen, nur halte Meister
Leopoldt erhebliche Kosten zu bezahlen: 15 Ji Gerichtskosten, 2.14
= 28 Jt Rechtsanwaltskosten, 4,80 Jt Schreibgebühren und Zu-
stellungskosten und 4,00 Ji> Zeugengebühren, in Summa allo 52,40 Ji,
während die gesamten Kosten des Streitfalles beim Gewerbegerlcht
nur 6 Mark betrugen. Wieviel Geld al>o hätte er sich erhalten
können, wenn er sich bei dem Gewerbegerichtsurteile beruhigt hätte!
Und wie finanziell vorteilhaft muß daher das Gewerbegericht gegen-
über dem ordentlichen Gerichte für den Handwerker und Kleingewerbe-
treibenden erscheinen! Aber das Gewerbegericht kann auch noch in
andern als in Rechtsstreitigkeiten seine segensreiche Tätigkeit entfalten.
Und dazu bot unser oben dargelegter Iv. Fall Veranlassung.
Als die Bauhandmerker — Arbeitgeber und Arbeitnehmer — zu
einer Einigung nicht kamen und die Rot schon hier und da Einkehr
hielt, wurde in beiden Parteien der Vorschlag gemacht, das Gewerbe-
gericht als Einigungsamt anzurufen. Es wurden je 3 Arbeitgeber
und Arbeitnehmer, die das 25. Lebensjahr vollendet hatten, sich
im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befanden und nicht durch gericht-
liche Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen beschränkt
waren, als Vertreter zu den Verhandlungen beim Gewerbegericht be-
auftragt. Das letztere prüfte die Verhältnisse der vorgeschlagenen
Vertreter, begnügte sich mit ihrer Anzahl und entsprach dem Antrage
«ach Herbeiführung einer Einigung. Der Vorsitzende 4)r. Helling
hielt einen Termin zu gemeinsamer Verhandlung ab, gab jedem Teile
Gelegenheit, sich über das Vorbringen des andern Teiles, sowie über
die vorliegenden Aussagen der Auskunftspersonen zu äußern und brachte
es wirklich dahin, daß die vorher so hitzigen Köpfe schließlich herüber
und hinüber etwas nachgaben und in eine Beilegung des Streiks
einwilligten. Die Vereinbarung kam zustande, und ihr Inhalt
wurde durch eine von sämtlichen Mitgliedern des Einigungs-
amtes und von den Vertretern beider Teile unterzeichnete Bekannt-
machung veröffentlicht. Der gewerbliche Frieden war wieder hergestellt,
und des freuten sich die Glieder der davon betroffenen Familien; denn
Frieden ernährt, aber Unfrieden verzehrt.
63. Wie kommt der Handwerker zu seinem Gelde?
1. Wie der Handwerker zu seinem Gelde kommt? — Das ist
doch eigentlich eine recht müßige Frage! Er schreibt seine Rechnungeii
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag]]
85
schauen kann. Auch in Paris suchen die Vereine die Mitglieder / zu-
sammenzuhalten und die Geselligkeit zu fördern. Hauptsächlich verfolgt
diesen Zweck der Gesangverein „Klub Freundschaft", der jeden Freitag-
abend in seinem Vereinshaus (Rue St. Augustin 5) Singstunden hält,
fast nur deutsche Kellner zu Mitgliedern hat und jeden ordentlichen
Ankömmling gern aufnimmt. Im Kreise froher Sänger vergißt man
beim kräftigen Schalle deutscher Lieder, daß man in fremdem Lande
weilt. Der Verein veranstaltet auch andere Vergnügungen, bei denen
eine unschuldige Fröhlichkeit zur Geltung kommt.
Nach zweijährigem Aufenthalte verließ ich Paris und kehrte nach
Deutschland zurück. Meine berufliche Ausbildung ist in jeder Hinsicht
gründlich und vortrefflich. Die englische und französische Sprache be-
herrsche ich ziemlich sicher. An guter Stellung und lohnender Be-
schäftigung hat es mir noch nicht gefehlt. Die geopferte Zeit trägt
schöne Früchte, und das verbrauchte Geld bringt reiche Zinsen.
Ob man noch nach Südfrankreich, nach Belgien und der Schweiz
oder gar auch nach Nordamerika gehen soll, hängt von den Umständen
ab. Nötig ist es aber nicht. Doch auf eine wichtige Sache möchte
ich noch besonders aufmerksam machen. Wer im Auslande lebt, soll
auch Land und Leute mit offenen Augen und aufmerksamen Blicken
betrachten, um die Charaktereigentümlichkeiten, die Sitten und Ge-
bräuche kennen zu lernen. Verbringe, junger Freund, deine Freizeit
nicht mit Kartenklopfen und Kneipereien oder in Musikhallen, sondern
siehe dir die Städte und ihre Sehenswürdigkeiten, ihre Museen,
Galerien, Denkmäler und öffentlichen Gebäude, ordentlich an, laffe dich
darüber belehren und unterrichte dich selbst über vieles. Es ist un-
verzeihlich, wenn du es vernachlässigst, in dieser Weise deinen Geist
zu nähren und zu bilden. Die Erinnerungen an diese Besuche und
Studien sind die schönsten und bleibendsten an die Fremde. Es macht
einen gar betrübenden Eindruck, wenn ein Mann, der mehrere Jahre
im Auslande zugebracht hat, an Gesprächen über Sehenswürdigkeiten
und Einrichtungen in der Fremde nicht teilnehmen und auf bezügliche
Anfragen keinerlei Auskunft erteilen kann. V Uw jym
c) Rechtsverhältnisse.'
45. Legen der Pflicht.
1. Es ist ein tiefer Segen,
der aus dem Wort dir spricht:
„Erfülle allerwegen
2. Welch Ziel du magst erstreben,
sei's nah, sei's hoch und fern, —
weiht nicht die Pflicht dein Leben,
so fehlt dein guter Stern;
der Stern, der wunderhelle,
mit reinem Himmelslicht
von seiner ewigen Quelle
dir zum Gewissen spricht.
getreulich deine Pflicht!"
Das nehme wahr dein Wille
wie gleichen Pendelschlag,
der nur erst, schweigt er stille,
die Ruh dir stören mag.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen]]
Extrahierte Ortsnamen: Paris Paris Deutschland Belgien Nordamerika Uw
138
c) Wirtschaftliche Tugenden.
64. Ein musterhafter Geschäftsmann.
Joseph Baxendale?) Sohn eines englischen Arztes, erhielt eine
gute Erziehung. Zum Jüngling herangewachsen, trat er in ein Baum-
wollengeschäft ein. Später wurde er Teilhaber eines Speditions-
geschäfies, das er durch Agenturen über das ganze Königreich aus-
dehnte. Tie Führung eines solchen Geschäftes erforderte viel Kapital,
große Tatkraft und einen Leiter ersten Ranges. Als Vorsitzender
einer Aktiengesellschaft leitete er den Bau von Eisenbahnen im Jn-
und Auslande. Seine angegriffene Gesundheit zwang ihn, nach einer
Reihe von Jahren seine Söhne an seinen Platz zu stellen. Aber
er blieb d r treue Freund und unermüdliche Wohltäter der Arbeitenden.
Baxendale war voll von Weisheit, wie sie in Sprichwörtern nieder-
gelegt ist. Der klare Verstand, die reiche Lebenserfahrung und die
gründliche Menschenkenntnis stempelten ihn zu einem zuverlässigen
Ratgeber. Stets drang er in seine Dienstleute, etwas zurückzulegen
für einen bösen Tag oder für ihren Unterhalt im Alter. Den alten
Dienstboten gab er ein Ruhegehalt, wenn sie arbeitsunfähig geworden
waren. An den Wänden seiner Speicher schrieb er Sprüche an:
„Niemals verzweifle." — „Nichts ohne Arbeit." — „Wer alles
vertut, was er verdient, ist auf dem Wege zum Bettelsacke." —
„Verlorene Zeit ist nicht wieder zu gewinnen." — „Lasset Fleiß,
Mäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu Gewohnheiten des Lebens werden."
— „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang." — Viele nahmen
die Ratschläge zu Herzen und befolgten sie.
Oft ließ er an seine Untergebenen Schriftstücke mit wertvollen
Belehrungen verteilen. Eines sagt über die Pünktlichkeit: „Methode
ist die Türangel des Geschäfts. Es gibt keine Methode ohne
Pünktlichkeit. Pünktlichkeit ist wichtig, weil sie dem Frieden und dem
Behagen der Familie dient. Der Mangel an jener beeinträchtigt
die notwendige Pflichterfüllung. Ein anderer Vorteil der Pünktlichkeit
ist die Gemütsruhe, die sie hervorruft. Ein unordentlicher Mensch ist
immer voll Hast und Eile. Er hat keine Zeit mit uns zu sprechen,
weil er anderswo hingeht. Wenn er dorthin kommt, ist es zu spät
für das, was er besorgen will. Eilig muß er nach einem anderen
Geschäfte fortstürzen, ehe er mit jenem fertig werden kann. Pünklich-
keit verleiht dem Charakter Gewicht. Was der redliche Mann ver-
spricht, hält er auch. Dies erzeugt Pünktlichkeit in den Untergebenen;
denn die Tugenden pflanzen sich von selbst fort. Dienstboten und
Kinder müssen pünktlich sein, wenn ihr Herr und Vater es ist. Ver-
sprechungen sind Schulden. Ich schulde dem Pünktlichkeit, dem ich
etwas zugesagt habe. Vertrödele ich meine eigene Zeit, so habe ich
kein Recht, die Zeit anderer zu vertrödeln."
Die persönliche Beaufsichtigung seiner Angestellten führte er mit
') Sprich: Bäxendehl.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
136
hatten Termin vor dem Amtsrichter, und als ich meine Sache vor-
getragen habe und der Amtsrichter den Vogt fragt, was er zu erwidern
hatte, erklärt er, sich auf die Sache überhaupt nicht eintasten zu wollen;
denn meine Forderung sei verjährt! Ich traute meinen Ohren nicht;
denn ich hielt es nicht für möglich, daß ich auf solche Weise um meinen
redlich verdienten Lohn kommen sollte. Auch dem Amtsrichter schien
die Sache nicht nach dem Sinn zu sein; wenigstens hielt er meinem
Gegner vor, er müßte sich doch erinnern, ob und welche Arbeiten ich
bei ihm ausgeführt hätte, und es würde doch nicht anständig sein,
einen Handwerker auf solche Weise um seinen Verdienst zu bringen.
Vogt aber blieb dabei, er könne sich auf nichts einlassen; meine Klage
wurde abgewiesen; ich mußte die Gerichtskosten zahlen und hatte den
Ärger obendrein. Darum rate ich dir, schiebe solche Sachen nie auf
die lange Bank! Handwerkersorderungen verjähren in zwei Jahren;
wenn du also im Jahre 1902 eine Arbeit geliefert hast, dann hast du
mit Ablauf des Jahres 1904 kein Recht mehr, sie einzutreiben, und
das Gericht weist dich zurück."
Am Tage nach dieser Unterredung beantragte Meister Streich beim
Amtsgericht die mündliche Verhandlung seiner Sache und erhielt auch
bald eine Ladung. Pünktlich stellte er sich im Gerichtsgeväude ein
und wartete, bis ein Gerichtsdiener rief: „Streich gegen Vogt". Der
Meister trug seine Klage vor und war gespannt, was sein Gegner
darauf antworten würde. Dieser gab zu, daß Streich ihm den Schrank
geliefert hätte; doch wäre er mangelhast gearbeitet und der dafür ge-
forderte Preis um mindestens 10 Jt> zu hoch. Meister Streich wußte,
daß daran kein wahres Wort war, und wollte schon seinem Ärger laut
Luft machen; der Amtsrichter aber bedeutete ihm, bei Gericht müsse
alles in Ruhe und Ordnung hergehen; wenn Vogt bestritte, daß die
Arbeit gut und preiswert sei, dann müsse darüber Beweis erhoben
werden; ob er nicht einen Sachverständigen vorschlagen könne. Meister
Streich nannte den Obermeister der Schreinerinnung; Vogt erklärte
sich einverstanden, und der Amtsrichter machte den streitenden Par-
teien bekannt, daß sie sich nach acht Tagen vor Gericht wieder einzu-
finden hätten.
Am festgesetzten Tage erschien außer Streich und Vogt auch der
Obermeister vor dem Amtsrichter und gab sein Gutachten dahin ab:
der Schrank sei gut gearbeitet; allerdings habe er sich etwas gezogen,
und die Tür schließe nicht genau; aber dies sei wahrscheinlich darauf
zurückzuführen, daß er an einer feuchten Wand und aus unebenem
Fußboden stehe. Der geforderte Preis von 50 Ji sei angemessen.
Vogt suchte noch einige Einwendungen zu machen; aber der Amts-
richter verurteilte ihn, seinem Gläubiger die geforderte Summe zu
zahlen und die Prozeßkoüen zu tragen. Auch wurde das Urteil für
vorläufig vollstreckbar erklärt.
Streich hoffte nun, jetzt würde sich Vogt beeilen, seine Schuld ab-
zutragen; aber dieser ließ nichts von sich hören. Jnfolgedeffen er-
kundigte sich der Meister bei der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts,
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TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
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Weizenäcker trügen seit lange nicht mehr so gut; zweifelsohne märe
der Spatzenfraß immer daran schuld. Der Hausfreund ließ es dahin-
gestellt und fuhr fort: „Aber, Nachbar, habt Ihr denn schon einen
weißen Spatzen gesehen?"
„Nein," gab der Rückwärts zur Antwort, „die hier herumfliegen,
sind alle grau."
„Glaub's wohl," sagte darauf der Nachbar, „mit dem weißen
Spatzen hat es sein eigen Bewenden. Alle Jahre kommt nur einer
zur Welt, und weil er gar absonderlich ist, so beißen ihn die anderen,
und er muß sein Futter suchen am frühen Morgen und dann wieder
zu Neste gehen."
_ „Das wäre!" sagte Rückwärts, „den muß ich sehen, und gelingt's,
da fang' ick ihn auch."
Am nächsten Morgen in aller Frühe war der Bauer auf den
Beinen und ging um seinen Hof herum, auch ein Stücklein ins Feld
hinein, ob der weiße Spatz nicht bald vom Zieste käine. Aber der
wollte nicht kommen, und das verdroß den Bauer, jedoch noch mehr,
daß auch sein Gesinde nicht aus dem Neste wollte, und die Sonne stand
schon hoch. Dazu schrie das Vieh in den Ställen, und es war
niemand da, der ihm Futter gab.
Jndein sieht er einen Knecht auf den Hof kommen, der trägt
einen Sack auf der Schulter und will schnell zum Hoftore hinaus;
dem eilt er nach und nimnit ihm die Last ab; denn in die Mühle
sollte sie nicht, sondern ins Wirtshaus, wo der Knecht stark aus
der Kreide stand.
Nach dem weißen Spatzen sehend, schaut der Bauer in den Kuh-
stall hinein, wo eben die Milchmagd einer Nachbarin durchs Fenster
die Milch zürn Morgenkaffee reicht, und die Milch war nicht mit des
Herrn Maß gemessen. „Eine saubere Wirtschaft das!" denkt der
Bauer und weckt scheltend sein Weib und erklärt, das lange Schlafen
müsse ein Ende haben, oder er wolle nicht Rückwärts heißen. Und bei
sich selber denkt er: „Stehe ich früh auf wie heule, so muß auch das
Packvolk aus dem Hofe heraus, und dabei sehe ich am Ende doch
den weißen Spatzen, und will's das Glück, so fange ich ihn auch."
Wie aber der Bauer das etliche Wochen getrieben hatte, da sah
er nicht mehr nach dem weißen Spatzen, sondern dachte allein an seinen
Vorsatz, und aus dem Rückwärts wurde bald ein Vorwärts. Und
als der Nachbar wieder kam und ihn fragte: „Wie stehts, Gevatter,
habt Ihr den weißen Spatzen gesehen?" da lächelte der Bauer und
drückte dem Freund die Hand und sagte: „Gott lohn's Euch."
O. Glaubrecht.
66. Das Glück durch die Gelbwurst.
Der alte Tuchfabrikant Keller pflegte gern folgende Geschichte zu
erzählen:
Ich war erst kurze Zeit aus der Fremde zurück und hatte mein
eignes, kleines Geschäft angefangen. Da war die Leipziger Wollmesse.
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